Curriculum Vitae

Formale Etappen in Ausbildung und Beruf

Mit diesem Überblick möchte ich Ihnen die Zusammenhänge zwischen den Etappen meiner Ausbildung sowie den jeweiligen beruflichen Positionen an den Universitäten und meinen wissenschaftlichen Arbeiten veranschaulichen.

An den Universitäten Münster und Bielefeld | 1967-1977

1967-1972

Nach meinem Abitur habe ich zunächst an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster Soziologie studiert. Im Zuge der Verlegung des soziologischen Studiengangs an die neugegründete Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld habe ich mein Studium dort fortgesetzt (mit den Schwerpunkten: Allgemeine Soziologie – Sozialarbeit – Sozialpsychologie – Planungs- und Entscheidungstheorie).

Meine Diplomarbeit (Gutachter: Joachim Matthes und Günther Albrecht) trägt den voluminösen Titel »Versuch einer Verknüpfung kriminalsoziologischer Theorien der Subkultur, der Anomie, des Definitionsansatzes unter dem Aspekt der Jugend mit Hilfe allgemeiner soziologischer Theorie unter Berücksichtigung von Theorien der neueren Wissenssoziologie«. Veröffentlicht wurde sie unter dem Titel »Handlungskompetenz und Jugendkriminalität«

1967-1972

Nach meinem Diplom hatte ich eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZiF (Zentrum für interdisziplinäre Forschung der Universität Bielefeld) mit dem Aufgabenbereich der Vorbereitung eines internationalen Kongresses zur Sprachsoziologie. An diesem Kongress waren u.a. Erving Goffman, Harold Garfinkel und Harvey Sacks beteiligt.

1974-1977

Im Anschluss war ich nach einem kurzfristigen Stipendium für Postgraduierte als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einem vom Bundesforschungsministerium für Forschung und Technologie geförderten Projekt zu „Modelleinrichtungen in der Sozialpolitik“ tätig. Untersucht wurden neun Einrichtungen der Jugend- und Drogenberatung in Nordrhein-Westfallen und Baden-Württemberg. Deren Mitarbeiter*innen konnten wir (damals ein Durchbruch im Bereich qualitativer Forschung) davon überzeugen, uns ihre elektronisch aufgezeichneten Beratungsgespräche zur Auswertung zu überlassen.

An der Universität Erlangen-Nürnberg | 1977-1990

1977-1981

Nachdem Joachim Matthes, der Betreuer meiner Diplomarbeit, einen Ruf an das Institut für Soziologie der Universität Erlangen-Nürnberg angenommen hatte, erhielt ich dort das Angebot einer Stelle als wissenschaftlicher Assistent.

Für meine in der Zeit in Erlangen-Nürnberg entstehende Dissertation mit dem Titel »Alltagsinterpretation und soziologische Rekonstruktion« stellte die empirische Auswertung und Typenbildung von 44 Beratungsgesprächen aus den 9 Einrichtungen der Jugend- und Drogenberatung den zentralen Teil dar. Methodologisch-methodisch handelte es sich um eine Vorform der Dokumentarischen Methode. Was den grundlagentheoretischen Rahmen anbetrifft, so habe ich mich um eine Integration von Ethnomethodologie und Luhmann`scher Systemtheorie bemüht. Da ich noch nach Bielefelder Promotionsordnung promovieren wollte, habe ich bei Luhmann um eine Zweitbegutachtung nachgefragt. Dieses Gutachten war wesentlich durch eine massive – wenn auch interessante – philosophisch-erkenntnistheoretische Kritik an meiner (radikalen) rekonstruktiven Analyseeinstellung geprägt.

1981-1990

Nach meiner Promotion im Jahre 1981 führte mein Interesse an der Weiterentwicklung der Gesprächsanalyse zu einer Auseinandersetzung mit dem Gruppendiskussionsverfahren. Dies nicht zuletzt deshalb, weil Werner Mangold, neben Joachim Matthes der andere Lehrstuhlinhaber am Institut für Soziologie, damals als der wegweisende Vertreter dieser Methode galt. Seine Begeisterung für die Neuinterpretation und methodologische Aktualisierung seiner (von Theodor W. Adorno und Max Horkheimer in Frankfurt betreuten) Dissertation führte zu dem Plan, die Methode weiterzuentwickeln. Mit Werner Mangold als einflussreichem DFG-Gutachter gelang die Finanzierung eines (für die damaligen Verhältnisse) radikal qualitativen Antrags zur Jugendforschung. Gegenstand waren die unauffälligen Jugendlichen aus einer nordbayerischen Kleinstadt und umliegenden Dörfern.

Hieraus ist meine Habilitationsschrift entstanden (vgl. Bohnsack 1989) mit dem Titel: »Kollektive Lebensorientierungen in Gruppen Jugendlicher. Exemplarische Wege zur empirischen Analyse des Zusammenhangs von Adoleszenzentwicklung, Milieu, Geschlecht und Generation« (Gutachter: Werner Mangold und Joachim Matthes). Mit der Habilitation erhielt ich die Lehrbefähigung (Venia Legendi) in „Allgemeiner Soziologie“.

An den Freien Universität Berlin | 1990-2013

1990-2001

1990 erhielt ich den Ruf auf eine Professur für „Qualitative Methoden in den Sozialwissenschaften“ an der Freien Universität Berlin, welche im Rahmen eines neu etablierten „Zusatzstudiums“ gleichen Namens eingerichtet worden war. Innovativ war nicht nur die Einrichtung eines derartigen Graduiertenstudiengangs, sondern auch dessen transdisziplinäre Ausrichtung. Als Verantwortlicher für dessen Organisation war ich dann zugleich Vorsitzender einer gemeinsamen Kommission verschiedener Fachbereiche der FU. Beteiligt waren Lehrende aus der Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie, Ethnologie, Politologie, Kommunikationswissenschaft und vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Im Jahr 1991 ist die erste Auflage von „Rekonstruktive Sozialforschung“ erschienen, meiner wohl bekanntesten Arbeit, die 2021 in der 10. Auflage publiziert wurde.

In den 1990er Jahren wurden wesentliche methodische und metatheoretische Grundlagen der Dokumentarischen Methode im Zusammenhang mit zwei DFG-Projekten im Verbindungsbereich von Jugendforschung und Kriminalsoziologie gelegt. Gegenstand der Forschung (direkt nach der Wende) waren Hooligans und Rockbands im Ostteil der Stadt Berlin und im Anschluss daran Jugendliche türkischer Herkunft aus dem Westteil.

Im Jahr 1998 wurde auf Initiative von Winfried Marotzki und Heinz-Hermann Krüger das „Zentrum für qualitative Bildungs-, Beratungs- und Sozialforschung“ (ZBBS) gegründet, zu dessen Vorstand ich damals gehörte, sowie die gleichnamige „Zeitschrift für qualitative Bildungs-, Beratungs- und Sozialforschung“, deren Herausgeberschaft ich von Anfang angehörte und die heute den Titel „Zeitschrift für Qualitative Forschung“ trägt.

Das ZBBS (heute ZSM) bildete die Plattform für den heute noch stattfindenden bundesweiten Magdeburger Methodenworkshop. In dessen Rahmen habe ich von 1998 bis 2011 eine Forschungswerkstatt zur Dokumentarischen Methode geleitet.

2001-2013

Im Zusammenhang mit dem Aufbau der Humboldt-Universität Berlin nach der Wende wurden Kapazitäten von den bisherigen Westberliner Universitäten abgezogen. Die Kolleg*innen der FU gerieten hinsichtlich ihres Lehrdeputats unter Druck und mussten sich aus dem Zusatzstudium zurückziehen. Ich habe meine Lehrkapazitäten in den Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie verlagert und dort die Leitung des neu gegründeten Arbeitsbereichs „Qualitative Bildungsforschung“ übernommen.

Neben meinem Lehrangebot im Rahmen des Diplom- und des Magisterstudiengangs Erziehungswissenschaft habe ich aus dem Zusatzstudium die „Forschungswerkstatt studentischer Projekte“ beibehalten, in der weiterhin auch graduierte Studierende aus dem gesamten Bereich der Sozialwissenschaften und auch darüber hinaus (Medizin, Rechtswissenschaften, Informatik, Theologie) betreut wurden. Mit der Jahrtausendwende entstand die ersten Veröffentlichungen zur dokumentarischen Bild- und auch Videointerpretation unter dem Titel »Die dokumentarische Methode in der Bild- und Fotointerpretation« und später die Monografie »Qualitative Bild- und Videointerpretation. Die dokumentarische Methode«.

Im Jahre 2005 wurde das ces (centrum für qualitative evaluations- und sozialforschung) gegründet, zunächst mit mir als erstem Vorsitzenden. Im Jahr 2012 wurde ich für vier Jahre zum Fachgutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Fachkollegium 109: Erziehungswissenschaft gewählt.

ab 2013

Nach meiner Pensionierung im September 2013 habe ich auch weiterhin regelmäßig eine Forschungswerkstatt im Rahmen der methodischen Betreuung von Dissertationen und anderen Forschungsprojekten angeboten. In dieser Zeit habe ich mich darüber hinaus zum einen stärker der grundlagentheoretischen Seite meiner Forschung zugewandt, der Praxeologischen Wissenssoziologie. Im Zuge der fortschreitenden Klärung der theoretischen Grundbegriffe (Meta-Theorie) ist eine Monografie mit diesem Titel entstanden.

Zum anderen hat mich nicht zuletzt auch unter dem Einfluss der von mir betreuten Dissertationen der Komplex der Professionalisierung in “People Processing Organizations” (Schule, Soziale Arbeit, Frühpädagogik) beschäftigt. Es wurde zunehmend deutlich, dass die Praxeologische Wissenssoziologie auch einer Auseinandersetzung mit der berufspraktischen Sozialisation neue Perspektiven zu eröffnen vermag. In Auseinandersetzung mit den empirischen Analysen der betreuten Dissertationen ist eine Monografie mit dem Titel „Professionalisierung in praxeologischer Perspektive“ entstanden.